Automation Technology
Disruption und Transformation in der textilen Wertschöpfungskette
DISRUPTION UND TRANSFORMATION IN DER TEXTILEN WERTSCHÖPFUNGSKETTE
Podiumsdiskussion mit Experten zur Zukunft der Lieferkette auf der MUNICH FABRIC START
Während der letzten MUNICH FABRIC START fand eine Podiumsdiskussion von Industrie-Experten im Keyhouse statt. Die Runde diskutierte die „Future Textile Supply Chain – Disruption und Transformation durch Nachhaltigkeit und Vernetzung in der textilen Wertschöpfungskette“. Moderiert von Jana Kern und Alex Vogt von KERN.Consulting tauschten sich Prof. Dr. Michael Braungart (Braungart EPEA), David Shah (View Publications), Hans H. Jung (Unity AG) und Dr. David Schmelzeisen (RWTH Aachen) in einer lebhaften Diskussion über die aktuellen Entwicklungen und Hintergründe aus.
Die Modeindustrie sieht sich derzeit aufgrund von COVID-19 mit beispiellosen Herausforderungen konfrontiert; besonders kritisch betroffen sind diejenigen, die innerhalb eine globale Lieferkette agieren. Der Wandel wird in diesen Zeiten beschleunigt. Für die Entwicklung von zukunftssicheren Lösungen ist kollektives Know-How und Erfahrungsaustausch entscheidend. Auf der KEYHOUSE Bühne boten die anwesenden Experten wertvolle Einblicke und Ansätze für zukunftsfähige Maßnahmen und Betrachtungsweisen.
Wie attraktiv ist die Option der Lokalisierung für Unternehmen geworden?
“Die lokale Produktion mag zwar wie eine attraktive Alternative aussehen, die vielleicht einen wachsenden Standard des Bewusstseins und die Notwendigkeit, mit der Nachfrage Schritt zu halten, befriedigen könnte, aber sie ist problematisch. Weil Unternehmen immer nach der billigsten Option suchen werden”, erklärte David Shah.
„Die Türkei wird das neue ‚China‘ für Europa werden, so wie Mexiko das neue ‚China‘ für Amerika.”
Auf der einen Seite gibt es aus Sicht der Hersteller den typischen, ständigen Druck zu Geschwindigkeit, Preis, Produktvielfalt, Sortiment und Lebensdauer, Liefergeschwindigkeit sowie Abfallreduzierung. Dem gegenüber steht jedoch die akute Notwendigkeit, die Nachfrage der Verbraucher nach einer aussagekräftigeren Erfahrung, Individualität und einer schnelleren Markteinführung zu befriedigen – also kontraproduktiv.
Inwieweit wird die Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltiger Produktion das gegenwärtige Konsumverhalten beeinflussen?
Während Modebewegungen, Fachleute und Aktivisten für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit plädieren, welche im Idealfall den zuvor erwähnten destruktiven Mindset ändern können, ist David Schmelzeisen der Auffassung, dass die Mehrheit der Endverbraucher noch immer schnellere Wechselzeiten bei gleichzeitig niedrigeren Preisen bevorzugen. Hinzu komme, dass die Kontrollmacht noch nicht beim bewussten Verbraucher liegt:
„Wir müssen flexibler sein. Genau hier kommt die digitale Technologie ins Spiel. Aus diesem Grund werden wir in Zukunft viele Veränderungen erleben. Wir benötigen kleinere Mindestbestellmengen, wodurch die Hersteller nach neuen digitalen und technischen Lösungen sowie neuen Designlösungen suchen.”
Wie kann die Digitalisierung eine Lösung für bedarfsgenauere Produktionsmengen bieten?
Die Digitalisierung verändert die gesamte Lieferkette, die Schnittstelle von Produktion und tatsächlicher Nachfrage auf Kundenseite wird immer präziser. Hans Jung ist überzeugt, dass digitale Werkzeuge die einzigartige Möglichkeit bieten, zu lernen, was der Kunde wünscht. Zum Beispiel über eine Verbindung zum Kunden in allen Nutzungsphasen, die als systematische Rückkopplungsschleife zur Optimierung des Produkts dient. Aktuell entwickeln sich die Produktionsindustrien viel nachhaltiger als in der Vergangenheit und implementieren zusätzliche Funktionen.
Welche Rolle spielt Zirkularität für die Zukunft der Textilindustrie?
Zirkularität ist entscheidend für die Zukunft unserer Industrie und sollte viel breiter erforscht werden. Die Textilindustrie bietet viele Möglichkeiten und Ansätze, ein zirkuläres System auf- und auszubauen. Michael Braungart glaubt fest daran, dass die Zukunft in der Transparenz von zirkulären Prozesse und Materialien liegt. Denn diese können andere relevante Anwendungsgebiete in der Produktionsindustrie über verschiedene Stufen des Prozesses hinweg haben, wodurch die Wirksamkeit der Zirkularität noch erhöht wird. Er ist der Auffassung, dass dort, wo Marken intelligente Textilien verwenden, ebenso intelligente Anstrengungen in der Kommunikation mit dem Endkonsumenten unternommen werden müssen. Es ist wichtig, den Verbraucher darüber aufzuklären, wie er das Produkt besser nutzen kann, um darüber eine wirklich wirksame und funktionale Zirkularität zu erreichen.