Collaboration

Interview mit Simon Angel, Kurator der SUSTAINABLE INNOVATIONS

Simon Angel ist seit 2018 Kurator des Sustainable Innovations Areals im KEYHOUSE. Für die Munich Fabric Start sucht er spannende Jungdesigner, außergewöhnliche Innovationen und neue Blickwinkel aus der Textilwelt. Registrieren Sie Sich jetzt für Sustainable Innovations an der Keyhouse.

Simon, auf welche Sustainable Innovations können wir uns in dieser Saison freuen?

Jede Saison versuchen wir, textile Trends und neue Materialien zu präsentieren, um zu inspirieren und den Kontext, die Techniken, die Bedeutung und den Wert von Textilien zu erhöhen. Unser Ziel ist es, einen Blick auf eine mögliche Zukunft zu werfen, damit die Branche und ihre Fachleute das nächste Level erreichen können. Es ist ein ständiger Dialog. Wir sind eine Gemeinschaft, die wächst und sich verbindet, Visionen und Ideen teilt – das ist eine sehr inspirierende Atmosphäre.

Diese Ausgabe der Sustainable Innovations der Munich Fabric Start ist ein Paradebeispiel für diesen Ansatz – nicht nur in Bezug auf die Verantwortung als Textilmesse, sondern auch in Bezug auf die Haltung und Perspektive der teilnehmenden Designer. Man sieht ihre Visionen in Arbeiten, die mit Klängen erzeugt und mit Lasern gedruckt sind. Man kann ihre Ideen förmlich spüren – zum Beispiel bei dem provokativen Ansatz, dass Kunststoff Teil der Natur ist. Und in dem Konzept, dass das Weglassen von Nähten zu neuen Herstellungstechniken und Designansätzen führen kann. Aber auch bei der Aufwertung von Materialien wie Sisal und Papier und der Verwendung von natürlichen Ausgangsstoffen wie Milch, Stärke und Salzkristallen. Ich bin überzeugt, dass diese Projekte einen Dialog eröffnen werden, von dem wir alle lernen können.

FOREIGN FORAGING | Keyhouse, #7

Immer wieder tauchen in den kuratierten Werken die Angst vor der Zukunft, die Folgen von Umweltverschmutzung und Klimawandel auf. Herausforderung oder Chance, was denkst du?

Die Frage zeigt, dass wir uns alle noch in sehr unterschiedlichen Phasen befinden. Einige Menschen sind sich den Veränderungen, mit denen unsere Umwelt konfrontiert ist, bewusst und besorgt. Einige beginnen, den Wandel zu erkennen und das, was noch da ist, zu würdigen. Wieder andere reagieren mit Aktion und sind bereit, die Regeln zu ändern. Was ich meine ist, dass wir alle unterschiedliche Standpunkte haben – umso mehr müssen wir bedenken. Es gibt also keinen einen Dialog, es gibt Hunderte. Es gibt keine eine Lösung, es gibt – wie ich es nenne – eine Kette von Veränderungen. Auf allen Ebenen. Daher denke ich, dass es nicht ein „oder“ zwischen den Worten ist, sondern ein „und“: Wir haben Herausforderungen UND Chancen. Designer bieten durch unterschiedliche Ansätze Möglichkeiten und schaffen eine Veränderung – so herausfordernd es auch ist.

CT DAIRY | Keyhouse, #4
SEAMLINE | Keyhouse, #10
| Keyhouse, #6

Die Verwendung von Kartoffelstärke, alte Druckmethoden und traditionelle koreanische Handwerkskunst – man könnte fast sagen, dass „Back to the Roots“ das Motto der kommenden Saison ist. Woher kommt diese Entwicklung?

Wenn Designer tiefer graben, entdecken sie häufig historische Produktionsprozesse und Designprinzipien wieder, die auch im Jetzt Sinn machen. „Wir lernen aus der Geschichte, dass wir nicht aus der Geschichte lernen“, sagt ein guter Freund von mir immer. Jetzt verstehe ich, dass dieses Zitat zwei Bedeutungen hat. Das Projekt von Caterina Tiolo ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Änderung der Reihenfolge eines alten Prozesses zu völlig neuen Ansätzen führen kann – sowohl, was das Design als auch das Material angeht. Die Neudefinition traditioneller Verfahren und Zutaten ist wirklich aufregend. Schaut man sich zum Beispiel „Consumption of Heritage“ von Lee Sun an: Sie verwendet traditionelles Handwerk und einfache Materialien wie Papier in einem modernen, modischen Kontext und schätzt auf diese Weise ihr Erbe. Also ja, wenn „Zurück zu den Wurzeln“ „Tradition und Werte neu beleben“ bedeutet, ist dies sicherlich eine maßgebliche Entwicklung.

CONSUMPTION OF HERITAGE | Keyhouse, #8

Du kuratierst die Sustainable Innovations nun zum fünften Mal. Was hat sich verändert?

Aus meiner Sicht arbeiten wir nicht an Veränderungen – wir arbeiten in Form einer Reise. Ich sehe viele starke Entwicklungen und Tendenzen, die von engagierten Fachleuten vorangetrieben werden. Nicht (nur) geldgetrieben, sondern auch durch Werte. Ich sehe, dass die Industrie daran arbeitet, eine bessere Version von sich selbst zu werden. Ich bin sehr optimistisch, wenn ich sehe, wie sich Designer, Hersteller, Presse und Medien die Verantwortung teilen. Am Ende dreht sich alles um das perfekte Paar: Qualität und Bewusstsein.

2020 – ein neues Jahrzehnt beginnt. Blick in die Zukunft: Wie wird sich aus deiner Sicht das Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Textilien entwickeln?

So optimistisch ich auch klingen mag – je mehr ich im Bereich Textilien und Mode forsche, desto mehr realisiere ich, dass es in unserer individuellen Verantwortung liegt: unser Verhalten als Mensch, als Verbraucher in diesem Wirtschaftssystem. Die Kausalität des Wandels hat zunächst zwei zentrale Elemente: Nachfrage und Angebot. Wir müssen aufhören, das „Gute” in einen kolonialen und kapitalistischen Kontext zu setzten. Vom Beginn der Textilgeschichte bis zur Modewelt des Jetzt: Je mehr wir uns dessen bewusst sind und je mehr wir teilen, desto mehr können wir dies zu einer ganz besonderen Reise machen. Lasst uns diese Chance nutzen und die Begeisterung für die Wirtschaftswelt wiederherstellen. Let’s thrive!

Besuchen Sie Sustainable Innovations in dem Keyhouse, 04-06 Februar, 2020 in Munich.

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Nat-2™ and Shahar Livne: Nachhaltige Blood Sneaker

Eine Kooperation, wie wir sie uns als MUNICH FABRIC START nur wünschen können: Das KEYHOUSE der MUNICH FABRIC START ist eine Plattform, die von Beginn an den Austausch von Wissen und Innovationen in den Vordergrund stellt und fördert. Wir sind davon überzeugt, dass Kollaborationen wie die von Shahar Livne und Sebastian Thies Früchte tragen. Sie präsentieren gemeinsam den innovativen Blood Sneaker.

Nat-2 ™ Designer Sebastian Thies und die in Eindhoven ansässige Designerin Shahar Livne, beide ehemalige Aussteller des KEYHOUSE in 2017 und 2018, kreierten den weltweit ersten Sneaker aus echtem Blut. Die beiden Designer trafen 2018 aufeinander, nachdem Simon Angel die Eigenschaften der Blutsubstanz Sebstian Thies als Rohmaterial vorstellte. Fasziniert von dem Material schlossen sich die beiden Designer zusammen um an einer Idee zu arbeiten. Das Rohmaterial wurde, basierend auf den Anforderungen von nat-2™ entsprechend weiter entwickelt, dass Sebastian daraus ein Sneaker-Modell entwerfen und konstruieren konnte. Gemeinsam entwickelten sie den Print, den Shahar Livne anschließend mit Siebdruck und echten Blutpigmenten gedruckt hat. Das Projekt wurde ertsmals im Januar 2019 der Öffentlichkeit auf der Neonyt vorgestellt. Anschließend ging das Projekt nach Mailand und auf die Tortona Design Week sowie Interzum´s Desruptive Materials und wurde ebenfalls in namhaften Magazinen wie Dezeen, Sportswear International, Vogue gefeatured. Mittlerweile kann man sich das einzigartige Sneaker-Paar in einigen Museen ansehen.

DIE PROJEKTIDEE
In den meisten Schlachthöfen wird Blut in die Kanalisation und in Wasserwege geleitet oder als Farbstoff für Fleisch wiederverwendet. Shahar Livne entwickelte ein neues handgemachtes „Bio-Leder“, bei dem Fett und Knochen, Restprodukte aus Schlachthöfen in den Niederlanden, sowie das verbleibende Blut als Farbstoff und Weichmacher verwendet wurden. Weitere Produkte, die bei dem entwickeltem Sneaker-Modell verwendet wurden, sind Nappaleder, Glas, echte Kork-Innensohle und echte Gummi-Außensohlen. Die Schuhe werden in Italien komplett von Hand gefertigt. Alle Herstellungsmaterialien stammen aus der gleichen Region.

„Der außergewöhnliche Materialmix verleiht dem Produkt ein völlig neues Erscheinungsbild, das es noch nie zuvor in der Schuhproduktion gegeben hat.“

Durch die Realisierung dieser einzigartigen Sneaker möchten nat-2 ™ und Shahar Livne dringende internationale Themen wie Nachhaltigkeit in verschiedenen tierbasierten Industrien stärker berücksichtigen, indem sie natürlich vorkommende Ressourcen und Upcycling-Reste aus diesen Industrien verwenden. Aber auch ein Argument für mehr Toleranz und ein aufgeschlossenes Denken, indem Faszination und Neugier geweckt werden und der verschwenderische und respektlose Umgang mit Tieren und natürlichen Ressourcen hervorgehoben wird.
Begleitet werden die Turnschuhe in ihrer 100%igen Verpackung aus recyceltem Papier mit einem limitierten Poster-Siebdruck, der mit einem einzigartig entwickelten echten Blutpigment von Shahar Livne bedruckt und von beiden Designern handsigniert ist.

ÜBER DER MATERIAL
Das Projekt „Meat Factory“ besteht aus einer Reihe von Materialexperimenten mit dem Ziel, eine Dissonanz zwischen Attraktivität und Ekel sowie zwischen natürlichen und industriellen Einstellungen zu erzeugen und sich dabei auf das Blut als Material und Farbstoff zu konzentrieren. Die Ergebnisse des Projekts werden in zwei Richtungen visualisiert:
1. Oxblood und die industrielle Revolution beziehen sich auf die Erzeugung eines natürlichen Farbspektrums im Siebdruckverfahren.
2. Das Bio-Leder wird nur aus fleischindustrieerzeugten Abfällen und nicht verwendeten Materialien hergestellt, um neue wertvolle Ersatzstoffe für eine umweltschädliche und oft grausame Industrie zu schaffen. Shahar untersuchte die Substanz und Dekonstruktion von Abfallprodukten sowie die zynische Behandlung von Tier durch Menschen, inspiriert von der Philosophie von „Nose to Tail“.

ÜBER DIE DESIGNER:
Shahar Livne (*1989 Israel) ist eine international bekannte Designerin aus Eindhoven in den Niederlanden. Ihre Faszination für Natur, Biologie, Wissenschaft und Philosophie entwickelt sich während des Bachelor-Studiums beim Experimentieren an der Design Academy Eindhoven auf intuitive Art und Weise. Shahars Werke konzentrieren sich auf konzeptuelle Materialforschung in einer mehrstufigen Methodik. Ihre Projekte konzentrieren sich auf Materialien und werden anhand von Objekten und Installationen zum Leben erweckt.
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Sebastian Thies (*1981 in München), Schuhdesigner in der 6. Generation seit 1856, lanciert 2007 die nachhaltige Luxusmarke. Seitdem steht die preisgekrönte nat-2 ™ für Innovation, Design und Nachhaltigkeit und ebnet den Weg für die Zukunftsmode aus Milch, Fischleder, Naturfilz, Recyclingleder und viele vegane Luxusalternativen wie Stein, Holz, Mais, Kork, Glas, Pilz, Kaffee, Gras, Blumen, Naturkautschuk und mehr.
Finde nat-2 ™ auf Instagram
Anmerkung: Kein Tier wurde durch die Schaffung dieser Sneaker verletzt oder wird es in Zukunft. Alle Bio-Zutaten stammen aus Reststoffen. Der Kleber basiert auf Wasser.

Wir gratulieren Sebastian und Shahar für diese erfolgreiche Zusammenarbeit und ihre großartigen Einblicke in eine tolerantere und inspirierende Welt.