Sustainable Materials

Fixing Fashion von Alicia Minaard

SUSTAINABLE INNOVATIONS Autumn.Winter 22/23 #4

22. November 2021

Kopieren erwünscht - Fixing Fashion by Alicia Minaard

Wissen teilen, Kleidung retten: 3,3 Jahre – das ist die durchschnittliche Lebensdauer eines Kleidungsstückes. Mit guter Pflege und ein paar Tricks kann Kleidung noch viel länger erhalten bleiben. Die digitale Plattform Fixing Fashion hat es sich zum Ziel gemacht, Interessierten dabei zu helfen, ihre Lieblingsteile zu pflegen, selbst zu reparieren oder neu zu verwerten. Auf Fixing Fashion finden Nutzer:innen Ideen, Tipps und Anleitungen, um getragene Kleidung mit kreativen Ansätzen zu schützen. Dafür hat sich die Designerin Alicia Minaard gemeinsam mit der Organisation One Army über zwei Jahre lang vorbereitet: In Interviews, Workshops und Exkursionen hat das Netzwerk um Minaard weltweit die besten Praktiken und Methoden zum Recyceln und Reparieren ausrangierter Kleidung recherchiert – und stellt diese nun kostenlos zur Verfügung. Entstanden ist eine Kollektion, die man nicht kaufen kann, aber nachahmen oder als Inspirationsquelle für eigene Fixing Looks nutzen soll.

Doch dem Team von Fixing Fashion geht es nicht nur um die Bereitstellung von Informationen. Die Initiator:innen des Projektes möchten vielmehr eine Community aufbauen, die sich austauscht und sich dabei unterstützt, Kleidung länger zu erhalten – und damit nicht zuletzt auch Textilabfälle einspart. Durch die sorgfältige Pflege von Textilien kann die Lebensdauer von 3,3 auf 4,5 Jahre erhöht werden. Übertragen auf die amerikanische Textilabfall-Menge könnten somit jährlich 1,22 Millionen Tonnen Abfall gespart werden.

“The collection is not for sale. Instead, each look is merely meant to inspire. In a way it is meant to trick people, as if this is a brand but then really it has everything and you need to do it yourself!”

Alicia Minaard


Enschede Textielstad von Annemieke Koster

SUSTAINABLE INNOVATIONS Autumn.Winter 22/23 #2

30. Oktober 2021

Enschede Textielstad von Annemieke Koster

Bis in die 1970er Jahre gehörte Enschede in den Niederlanden neben Manchester zu den europäischen Textilhochburgen. Dann verschwand die textile Produktion immer mehr aus dem Stadtbild, weil es wesentlich günstiger war, Kleidung und Textilien in Niedriglohnländern herzustellen. Nachvollziehbarkeit, Schutz der Arbeiter:innen und Nachhaltigkeit bleiben dabei jedoch oft auf der Strecke – daher entstand Enschede Textielstad aus Annemieke Kosters Wunsch heraus, die Transparenz entlang der textilen Wertschöpfungskette zurückzubringen und die einstige Tradition der Stadt wieder aufleben zu lassen.

„I want to bring textiles back to Enschede and make it a city of textiles again – where professionals who still know the craftsmanship of yesteryear pull their knowledge and find innovative approaches. But then in a new, innovative collaboration.“

Lokal, natürlich, qualitativ hochwertig: In der Industrieweberei Enschede Textielstad entstehen natürliche und möglichst lokal produzierte Garne und Stoffe für Mode und Heimtextilien. Die Basis dafür bilden faire und umweltschonende Rohstoffe, die ausschließlich von bekannten Lieferanten bezogen werden: garantiert Made in Europe – für kurze Transportwege und einen geringeren ökologischen Fußabdruck. Das Angebot von Enschede Textielstad gibt diverse Optionen: Readymade Stoffe sind bereits produzierte Bestseller zum Direktkauf, Made To Order Stoffe sind gewebt, können aber individualisiert werden, oder Custom Made Stoffe für besonders individuelle Ideen, neue Stoffe oder zum Recycling von Produktabfällen – so ist für alle etwas Passendes dabei.


Living Material von Iris Bekkers

SUSTAINABLE INNOVATION Autumn.Winter 21/22 #1

Sustainable Innovations Kurator Simon Angel präsentierte Anfang September vier Innovationen für die Saison Autumn.Winter 21/22 bei den FABRIC DAYS. Der Niederländer ist immer auf der Suche nach interessanten jungen Designern, außergewöhnlichen Innovationen und den neuesten Entwicklungen in der Textilbranche.

In unserem kürzlichen Interview mit ihm, meinte er: „Im Sustainable Innovation Forum präsentieren wir die nahe Zukunft und zeigen, was bereits möglich ist.“

Nun geben wir Ihnen einen Einblick in die erste SUSTAINABLE INNOVATION dieser Saison:

LIVING MATERIAL VON IRIS BEKKERS

Passt nicht mehr, sitzt nicht richtig: Viele unserer Lieblingskleidungsstücke verlieren bereits nach kurzer Zeit ihre Form und werden direkt auf die nächste Müllhalde verschifft. Textilien, die sich an individuelle Körperformen und äußere Gegebenheiten anpassen, könnten die Mode- und Textilindustrie reformieren.

Um solche Textilien zu erschaffen, nutzt die Produktdesignerin Iris Bekkers in ihrem Projekt „Moving Structures“ auxetische Materialien, also dehnbare Materialien, die ihre Struktur an ihre Umgebung anpassen können. Als Teil ihres Abschlussprojektes an der Technischen Universität Eindhoven hat sie eine spezielle Gesichtsmaske entwickelt, die sich nicht nur an unterschiedliche Gesichtsformen anschmiegt, sondern auch ihre Filterfunktion an die Umwelt anpasst und atmungsaktiv ist.

Mehr Komfort, längere Tragezeit, weniger Müll: Durch ihre geometrischen Strukturen werden auxetische Materialien beim Dehnen nicht wie die meisten Stoffe dünner, sondern dicker. Das Potential solcher Stoffe reicht von Jacken, die sich der Jahreszeit anpassen und somit im Sommer und im Winter getragen werden können, bis hin zu Schuhen, die je nach Bedarf ihre Flexibilität und Stabilität verändern. Das Material zum Leben erwecken: Für ihre Designs denkt sich Iris Bekkers nicht nur in das Material und seine Beschaffenheit hinein, sondern auch in den Kontext, in dem die Stoffe genutzt und gebraucht werden. Nur so können ihre Entwürfe Mensch und Natur miteinander verbinden.

„Auxetische Stoffe sind Anfang und Inspiration für eine Reihe von anpassungsfähigen, transformierbaren Produkten, die unter unterschiedlichen Gegebenheiten optimal funktionieren. Durch diese Anpassungsfähigkeit steigen Wert und Funktion der Materialien. Gleichzeitig führt sie dazu, dass eine geringere Menge an Produkten notwendig ist.“

Iris Bekkers


ReSOURCE - Nachhaltige Standards garantiert

Mit der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft wird die Gewährleistung wirklich nachhaltiger Standards von Käufern und Marken immer stärker nachgefragt. Im Vorfeld ihrer Ausstellung bei der kommenden ReSOURCE im Zuge der MUNICH FABRIC START haben wir die Vertreterinnen Heike Hess vom Internationalen Verband für Naturtextilien (IVN) und Franziska Dormann of Global Organic Textile Standard (GOTS) interviewt.

Kurz gesagt, vergibt IVN zwei Qualitätssiegel für ökologisch erzeugte Produkte: NATURTEXTIL und NATURLEDER. Für beide Siegel hat der Verband Parameter definiert, die in der Branche zum Standard geworden sind. Der Verband ist Mitinhaber von GOTS, dem weltweiten Standard für die Herstellung nachhaltiger Textilien im industriellen Maßstab.

Welche Frage wird Ihnen am Anfang des Beratungsgesprächs am häufigsten gestellt?

GOTS: Oftmals ist es eine generelle Einführung in den Global Organic Textile Standard, sprich was wird durch den Standard abgedeckt? Und wie wird dies sichergestellt? Durch die Überprüfung der strikten Sozial- und Umweltkriterien entlang der gesamten textilen Lieferkette – vom Feld bis zum Kleiderschrank – sorgt der GOTS für Sicherheit und Transparenz gegenüber dem Verbraucher. Die unabhängige Zertifizierung bringt Glaubwürdigkeit im Vergleich zu reinen Selbstaussagen.

IVN: Die meisten Besucher fragen uns nach Zertifizierungen und Siegeln. Wie kann man sich zertifizieren lassen, welche Stoffe und Accessoires muss man sourcen, um die Anforderungen für IVN BEST oder GOTS zu erfüllen oder wie unterscheiden sich unsere Siegel zu anderen, die in der ReSOURCE zu finden sind, registrieren Sie sich hier.

Welche Veränderung wünschen Sie sich von Brands in den nächsten 5 – 10 Jahren, um nachhaltige Aspekte der Textilindustrie herbeizuführen und diese zu verankern?

GOTS: Ich glaube, die Wichtigkeit und Dringlichkeit haben die meisten erkannt, denn keiner kann mehr lange unter dem Radar fliegen. Nachhaltigkeit interessiert denjenigen am meisten, der sich rechtfertigen muss. Das sind bei uns die Marken, die verkaufen. Interesse ist bei allen Beteiligten da, die Frage ist welche Handlungen folgen? Bei der Industrie reicht die Bandbreite von Greenwashing zu aufrichtig praktizierter Nachhaltigkeit. Bei den Verbrauchern geht es von bloßen Lippenbekenntnissen bis zur echten Bereitschaft, wirklich mehr für nachhaltige Produkte auszugeben.
IVN: Viele Einkäufer, vor allem Brands, suchen nach zertifizierten Stoffen. Für zertifizierte Stoffe aus Naturfasern ist die Auswahl in der RESOURCE recht groß, bei synthetischen und Regeneratfasern mangelt es aber an Produkten, die mit wirklich nachhaltigen Siegeln ausgezeichnet sind. Hier würde ich mir mehr Interesse der Brands wünschen, das zieht ein stärkeres Engagement der Stoff-Lieferanten nach sich.

Wie hat sich die Vorgehensweise von Brands bei der Recherche und beim Einkauf während der letzten Saisons verändert?

GOTS: Durch die Messen, aber auch gezielte Anfragen per E-Mail, wird deutlich, dass sich immer mehr Brands darüber informieren wollen, welche Lieferanten bereits GOTS-zertifiziert sind. Hier verweise ich dann auf die öffentliche Datenbank mit fast 6.000 zertifizierten Betrieben. Viele Unternehmen, die sich für den GOTS interessieren, wollen mit ihren bestehenden Lieferanten weiterarbeiten und gemeinsam den Weg der Zertifizierung ihrer kompletten Lieferkette gehen.
IVN: Man merkt deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit bei den Brands einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Die Besucher der ReSOURCE sind besser vorbereitet und stellen konkretere Fragen. Viele suchen ganz gezielt nach bestimmten Produkten und haben klare Vorstellungen, wie ein Stoff beschaffen sein soll. Die Verweildauer der Brands in der ReSOURCE ist gestiegen. Auch mehr und mehr Einkäufer, die nicht explizit nachhaltigen Unternehmen angehören, zeigen Interesse an den Produkten, die in der ReSOURCE ausgestellt sind.

Was sind die Herausforderungen der Industrie für eine zukunftsorientierte Modebranche?

IVN: Je nach Größe und Ausrichtung der Modeunternehmen sind die Herausforderungen unterschiedlich. Kleinere Brands haben – gerade im nachhaltigen Segment – Probleme, zertifizierte Lieferanten zu finden, die auch kleine Metragen liefern. Größere Unternehmen haben viele verschiedene Materialien im Einsatz und entsprechend viele verschiedene Lieferanten. Hier den Überblick über die gesamte Lieferkette bis zum eigenen Unternehmen zu haben, ist schwierig, vor allem, wenn man Wert auf ein gewisses Nachhaltigkeitsniveau der Lieferanten und Vorlieferanten legt. Nach wie vor ist es eine Herausforderung, Zertifizierungen und Nachhaltigkeit mit der Wirtschaftlichkeit von Produkten in Einklang zu bringen. Für besonders modische Brands ist es noch immer anspruchsvoll, exklusive oder individuelle Stoffe und Additionals in nachhaltiger Qualität zu finden. Es gibt sicher noch einige weitere Herausforderungen, aber insgesamt ist es ein gutes Zeichen, dass es heute bedeutend einfacher und rentabler geworden ist, nachhaltige Mode zu produzieren als noch vor ein paar Saisons.