Material Innovation
Sustainable Innovations – Suzanne Oude Hengel
Aus Frustration über frühere Erfahrungen in der Textilindustrie und deren mangelnde Bereitschaft, vom Status quo abzuweichen gründete Suzanne Oude Hengel ihr Projekt Knit in Motion (KiM). Ihr Ziel: Grenzen verschieben, experimentieren und die Art und Weise, wie Dinge gemacht werden, in Frage stellen. KiM bricht mit traditionellen Vorstellungen vom Stricken, indem es das Handwerk und seine Anwendungen in Frage stellt, untersucht und neu überdenkt und dabei ausgetretene Pfade verlässt, um neue Wege im Textildesign zu beschreiten.
Suzannes Abschlussprojekt (ArtEZ University of the Arts in Arnhem), „Loop Coloured Feet“ (2015), untersucht das Potenzial der Verwendung von Strick als alternatives Material für Schuhe. Es stellt einen Ausgangspunkt für viele Ideen dar, die sie weiterhin untersucht, einschließlich des Überdenkens von Produktionsmethoden, der Wiederbelebung älterer Techniken und der Fokussierung auf handwerkliches Können.
Ein Schlauch und die Form einer Socke waren der Ausgangspunkt für „Santoni“ (2016 bei Santoni in Shanghai entstanden). Die Arbeit mit Rundstrickmaschinen ermöglichte es Suzanne, einen anderen Ansatz zur Entwicklung der Form auszuprobieren.
„Die Arbeit mit Rundstrickmaschinen ermöglichte es Suzanne, einen anderen Ansatz zu entwickeln, um über Formen nachzudenken.“
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von Timberland wurde Suzanne ausgewählt, um an der „Timberland Future 73“ Kollektion mitzuarbeiten. Die auf der Mailänder Designwoche 2023 vorgestellte Kollektion beginnt mit den klassischen Styles der Marke und verbindet sie mit ihrer Welt der unerwarteten Farb- und Materialwahl, was zu einer neuartigen Vision für die Marke und die Anwendung von gestrickten Textilien führt.
‚‚Ich glaube, dass wahre Innovation aus einem neugierigen und iterativen Designprozess entsteht.‘‘ – Suzanne Oude Hengel
Suzannes fortlaufende Forschungsarbeit „Spacers“ (seit 2018) untersucht das Potenzial der Verwendung der Stricktechnologie zur Herstellung von Spacern. Die Forschung umfasst das Experimentieren mit verschiedenen Materialien, Dichten und Endanwendungen. Projekte wie Timberland Future 73 stützen sich auf diese Forschungsergebnisse und veranschaulichen völlig unterschiedliche Verwendungen dieses innovativen Strickmaterials.
Mit „Welded Loop“ erforschen Knit in Motion und das Studio Joris de Groot gemeinsam die innovative Verwendung von thermoplastischem Polyurethan (TPU) im Schuhdesign durch die Integration von Strick-, Schweiß- und 3D-Drucktechniken. Inspiriert von der Entdeckung von TPU auf der Techtextil Messe in Frankfurt, macht sich das Projekt die Vielseitigkeit und Recyclingfähigkeit des Materials zunutze. Durch die Integration von Stricken, Schweißen und 3D-Drucken will „Welded Loop“ nicht nur das Schuhdesign erneuern, sondern auch zu neuen Anwendungen und Kombinationen von Techniken in der Textil- und Materialverarbeitung inspirieren und den Weg für zukünftige Fortschritte ebnen.
„Inspiriert von der Entdeckung von TPU auf der Techtextil Messe in Frankfurt, macht sich das Projekt die Vielseitigkeit und Recyclingfähigkeit des Materials zunutze.“
Entdecken Sie KNIT IN MOTION BY SUZANNE OUDE HENGEL in der Sustainable Innovations Area im KEYHOUSE in Halle 7!
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Seaweed Design von Violaine Buet
Seaweed Design® von Violaine Buet
Am Anfang stand ihr Wunsch, mit einem natürlichen, lebendigen Material zu arbeiten. Die Wahl von Violaine Buet fiel intuitiv auf Seegras, die uralte Meerespflanze, die einen Teil der Landschaft ihrer Kindheit in der Bretagne ausmachte. Das übergeordnete Ziel ihrer Bemühungen: Ein innovatives Fachwissen über Algen zu entwickeln, um sie in Kunst, Haute Couture, Szenografie und Dekoration bis hin zu Visual Merchandising und industrieller Fertigung einzusetzen. Denn: Seegras kann vielfältig genutzt werden. Ob weben, färben, nähen, bedrucken, prägen, tuften, gravieren, flechten oder pressen – die Möglichkeiten scheinen schier unbegrenzt.
Mit ihrem handwerklichen Geschick als Designerin erkundet Violaine Buet die ästhetischen und technischen Eigenschaften des Materials, entwickelt natürliche Färbemethoden mit der Unterstützung von Experten für pflanzliche Färbung und Biopolymerforschern. Mit interdisziplinären Methoden verknüpft sie so Fachwissen mit Handwerk, inspiriert von Weber:innen, Lederverarbeiter:innen, Juwelier:innen, Schneider:innen, Siebdrucker:innen, Vergolder:innen und Glasermeister:innen. So entstehen nicht nur maßgeschneiderte Textilien aus den biologisch abbaubaren Algen, sondern darüber hinaus auch Wände, Landschaften und Installationen.
“It’s like writing a story with an inevitable factor of time. With seaweed I have to take into account seasons, species, tides, weight, smell, particularities, colour-fade, hydrophilicity and decomposition, all of which change with time. It’s about everything coming together in a kind of balance.”
Violaine Buet
Pre-Loved von Sarmite Polakova
Pre-Loved von Sarmite Polakova
Aus Alt mach Neu: Die Material- und Produktdesignerin Sarmite Polakova und die Designerin Mara Maizele haben mit ihrem Biotextil Pre-Loved ein völlig neues Textilkonzept erschaffen. Pre-Loved besteht aus gebrauchten Textilabfällen und natürlichen Bindemitteln. Die Designerinnen möchten mit dem Produkt das traditionelle Konzept von Stoffen infrage stellen und die Perspektive auf recycelte Mischfasern verschieben. Shoddy nennt sich das Material, das aus unverkäuflichen und nicht mehr tragbaren Kleidungsstücken hergestellt wird. Baumwolle, Polyester und Wolle: Shoddy besteht aus einer Vielzahl von Fasertypen, die in dem Recyclingprozess zu einer einzigen Masse zusammengeführt werden.
Eine weitere Besonderheit ist die hervorragende Isolierungseigenschaft von Shoddy. Das Biotextil kann für die unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt werden: im wärmenden Wintermantel, in der gemütlichen Couch oder in der gut isolierten Hauswand. Durch Farbseparation, kontrollierte Musterung und sogar natürliche Färbung sticht der Stoff auch durch einen einzigartigen Look hervor. Darüber hinaus werden die kurzen Fasern, die sich sonst nicht zum Spinnen von Garnen eignen, mit Biokunststoffen kombiniert, die die Fasern von innen heraus stärken und dem Material eine glatte, lederähnliche Oberfläche verleihen. Mit Shoddy entsteht eine ganz neue Art von Chemiefaser – Pre-Loved zelebriert diese neue Textilidentität, die eine neue Ästhetik mit sich bringt und das frühere Leben jedes getragenen Kleidungsstücks durch Farb- und Strukturnuancen hervorhebt.
“When textile waste meets bio-plastics and together they form a new leather-like material for future fashion applications.”
Sarmite Polakova
Fixing Fashion von Alicia Minaard
Kopieren erwünscht - Fixing Fashion by Alicia Minaard
Wissen teilen, Kleidung retten: 3,3 Jahre – das ist die durchschnittliche Lebensdauer eines Kleidungsstückes. Mit guter Pflege und ein paar Tricks kann Kleidung noch viel länger erhalten bleiben. Die digitale Plattform Fixing Fashion hat es sich zum Ziel gemacht, Interessierten dabei zu helfen, ihre Lieblingsteile zu pflegen, selbst zu reparieren oder neu zu verwerten. Auf Fixing Fashion finden Nutzer:innen Ideen, Tipps und Anleitungen, um getragene Kleidung mit kreativen Ansätzen zu schützen. Dafür hat sich die Designerin Alicia Minaard gemeinsam mit der Organisation One Army über zwei Jahre lang vorbereitet: In Interviews, Workshops und Exkursionen hat das Netzwerk um Minaard weltweit die besten Praktiken und Methoden zum Recyceln und Reparieren ausrangierter Kleidung recherchiert – und stellt diese nun kostenlos zur Verfügung. Entstanden ist eine Kollektion, die man nicht kaufen kann, aber nachahmen oder als Inspirationsquelle für eigene Fixing Looks nutzen soll.
Doch dem Team von Fixing Fashion geht es nicht nur um die Bereitstellung von Informationen. Die Initiator:innen des Projektes möchten vielmehr eine Community aufbauen, die sich austauscht und sich dabei unterstützt, Kleidung länger zu erhalten – und damit nicht zuletzt auch Textilabfälle einspart. Durch die sorgfältige Pflege von Textilien kann die Lebensdauer von 3,3 auf 4,5 Jahre erhöht werden. Übertragen auf die amerikanische Textilabfall-Menge könnten somit jährlich 1,22 Millionen Tonnen Abfall gespart werden.
“The collection is not for sale. Instead, each look is merely meant to inspire. In a way it is meant to trick people, as if this is a brand but then really it has everything and you need to do it yourself!”
Alicia Minaard
New Blue Circular Denim
New Blue - ein neues Circular Denim Material von Tim van der Loo & Sandra Nicoline Nielsen
Kaufen, tragen, wegwerfen – das ist es, was mit den meisten Kleidungsstücken passiert. Genau dort setzt das Prinzip der Kreislaufwirtschaft an: Getragene Kleidung kann viel mehr sein als Abfall und ein Teil neuer und kontinuierlicher Materialflüsse werden.
Was 2018 als Projekt für eine Masterarbeit an der Weißensee Academy of Art in Berlin begann, wird derzeit von Re-FREAM unterstützt, einem Teil der STARTS-Initiative (Science + Technology + Arts) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Kommission.
„New Blue explores new pathways in circular economy, aesthetics and production. Denim is a ubiquitous material which is loved and used by many. It is also a significant source of waste. The challenge as we see it is to find a way to recirculate old worn out jeans and left over fibers within the system.“
Denim galt immer als besonders langlebiges Material – bis es seine Integrität durch die zunehmende Globalisierung und den schnellen Konsum verloren hat. Mit New Blue, dem neuen zirkulären Denim, möchten der Material- und Produktdesigner Tim van der Loo und die Techno-Anthropologin Sandra Nicoline Nielsen dies ändern. In ihrem Verfahren werden Jeans als Rohstoff in kleine Fasern geschnitten und dann zu einem Vlies verbunden. Mit einer neuen Technologie der digital unterstützen Industriestickerei wird direkt auf dem Vlies das Schnittmuster angefertigt. Durch eine neuartige Möglichkeit bleiben die durch die Stickerei definierten Bereiche beim Waschen des Vlieses intakt, während sich die nicht bestickten Teile des Vlieses bei Kontakt mit Wasser auflösen und schließlich wieder als Rohstoff verwendet werden können. So wird durch New Blue eine kreislauffähige und abfallfreie Produktion von Denim zur Realität.
Enschede Textielstad von Annemieke Koster
Enschede Textielstad von Annemieke Koster
Bis in die 1970er Jahre gehörte Enschede in den Niederlanden neben Manchester zu den europäischen Textilhochburgen. Dann verschwand die textile Produktion immer mehr aus dem Stadtbild, weil es wesentlich günstiger war, Kleidung und Textilien in Niedriglohnländern herzustellen. Nachvollziehbarkeit, Schutz der Arbeiter:innen und Nachhaltigkeit bleiben dabei jedoch oft auf der Strecke – daher entstand Enschede Textielstad aus Annemieke Kosters Wunsch heraus, die Transparenz entlang der textilen Wertschöpfungskette zurückzubringen und die einstige Tradition der Stadt wieder aufleben zu lassen.
„I want to bring textiles back to Enschede and make it a city of textiles again – where professionals who still know the craftsmanship of yesteryear pull their knowledge and find innovative approaches. But then in a new, innovative collaboration.“
Lokal, natürlich, qualitativ hochwertig: In der Industrieweberei Enschede Textielstad entstehen natürliche und möglichst lokal produzierte Garne und Stoffe für Mode und Heimtextilien. Die Basis dafür bilden faire und umweltschonende Rohstoffe, die ausschließlich von bekannten Lieferanten bezogen werden: garantiert Made in Europe – für kurze Transportwege und einen geringeren ökologischen Fußabdruck. Das Angebot von Enschede Textielstad gibt diverse Optionen: Readymade Stoffe sind bereits produzierte Bestseller zum Direktkauf, Made To Order Stoffe sind gewebt, können aber individualisiert werden, oder Custom Made Stoffe für besonders individuelle Ideen, neue Stoffe oder zum Recycling von Produktabfällen – so ist für alle etwas Passendes dabei.
Chiengora instead of Angora
Yarnsustain von Ann Cathrin Schönrock & Franziska Uhl
Oft werden Möglichkeiten für ethische und nachhaltige Lösungen nicht genutzt, obwohl sie eigentlich auf der Hand liegen. Fashion- und Knitwear-Designerin Ann Cathrin Schönrock und Textilingenieurin Franziska Uhl haben auf dem Markt für Garne vergeblich nach nachhaltigen und gleichzeitig hochwertigen Optionen gesucht und sind deshalb selbst kreativ geworden: Sie gründeten das Unternehmen Yarnsustain, um mit Garnen und Stoffen aus Hundehaar die Mode- und Textilbranche zu revolutionieren.
Schon 2017 hat Ann Cathrin Schönrock, die selbst Hundebesitzerin ist, angefangen, mit der Wolle ihres Hundes zu arbeiten – denn warum sollte dieses eigentlich als Abfall angesehene Material nicht auch für Kleidung oder zum Füllen von Heimtextilien genutzt werden? Gemeinsam mit ihrer Mitgründerin Franziska Uhl entwickelte sie das hochwertige Chiengora®, ein Garn, das aus der Unterwolle langhaariger Hunde besteht. Gefördert von der deutschen Regierung konnte die Organisation alleine in diesem Jahr mehr als zwei Tonnen Unterwolle sammeln und zu Garn verarbeiten.
Hinter dem Unternehmen stehen die NGO Saving Lost Resources e.V., Yarnsustain und das Markenunternehmen modus intarsia. In diesem Dreiklang leisten die Gründerinnen einen Beitrag zum Tierschutz, produzieren hochwertige Garne und verkaufen Kleidungsstücke aus Hundehaar – um so die Akzeptanz von Konsument:innen weiter zu fördern und Kleidungsstücke aus Hundehaar auf dem Markt zu etablieren.
From Trash to Treasure von Youyang Song
Der Niederländer Simon Angel hat eine begabte Designerin ausfindig gemacht, deren Innovation es möglich macht, Textilien aus recyceltem Biokunststoff zu kreieren. Diese und drei weitere Entwicklungen präsentierte der Kuator der SUSTAINABLE INNOVATIONS während der FABRIC DAYS.
„Wir bewegen uns immer mehr hin zu einer Ära der flexiblen Organisationsform. Um das mal in die Welt der Materialien und Textilien zu übersetzen: Die Beschaffenheit von Materialien und der Komfort werden ein Comeback erleben“, erklärt Simon Angle in unserem kürzlichen Interview mit ihm.
Ein Beispiel dafür stellen wir Ihnen hier im Rahmen der SUSTAINABLE INNOVATIONS vor:
FROM TRASH TO TREASURE VON YOUYANG SONG
Wie können innovative Produkte entstehen, ohne dass neue Ressourcen verbraucht werden müssen? Wie kann das Wachsen der Müllberge aufgehalten werden? Altes nutzen, Neues kreieren: Die Designerin und Materialforscherin Youyang Song hat es sich zum Ziel gemacht, dabei zu helfen, ein Ökosystem zu entwickeln, das aus rein biologisch-abbaubaren Materialien besteht. Handtaschen aus Bananenschalen, Lampenschirme aus Sojamilch – die Designerin verarbeitet Bioabfall zu neuen Wertstoffen. So entstehen Produkte, die am Ende des Produktlebenszyklus wieder dem natürlichen Kreislauf zurückgegeben werden können.
„Unser Ziel ist es, eine Kreislaufwirtschaft rund um das Material zu erschaffen und mit unseren Produkten eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.“
Youyang Song
Song hat die Technik “Cooking new materials” entwickelt, bei der Obstschalen oder Sojamilch mit einem natürlichen Bindemittel gemischt werden. „APeel“ nennt sich das weiche, innovative Material, das durch diesen Prozess entsteht. Das Naturprodukt ist außerdem wasserundurchlässig und robust wie echtes Leder, riecht fruchtig, hat eine natürliche Textur und ist komplett biologisch abbaubar. Mit Stil die Umwelt schützen: Mit ihrem Projekt möchte Song zeigen, dass umweltfreundliche Produkte nicht nur praktisch, sondern auch ästhetisch und stillvoll sein können.
Perfect Imperfection von Studio Mend
Die FABRIC DAYS präsentierten wegweisende Innovationen internationaler Hersteller. Sustainable Innovations Kurator Simon Angel stellte außerdem innovative Entwicklungen junger Designer im Rahmen des SUSTAINABLE INNOVATIONS Forum vor.
„Manchmal muss man sich gar nichts Neues einfallen lassen, um Innovationen zu erschaffen – alte Traditionen zu überdenken und ihnen eine zeitgemäße Note zu verpassen kann auch innovativ sein“, so Simon Angle in unserem kürzlichen Interview mit ihm.
Ein Beispiel dafür stellen wir Ihnen hier im Rahmen der SUSTAINABLE INNOVATIONS vor:
PERFECT IMPERFECTION VON STUDIO MEND
Die neue Jeans gibt es für 29,99€, das T-Shirt für 7,99€. Ständig wechselnde Trends, synthetische Stoffe und minderwertige Qualität: Seit Fast Fashion in den 1960er Jahren die Welt eroberte, kommt man immer und überall an neue Kleidung. Was kaputt ist, wird weggeschmissen und was nicht mehr in Mode ist, liegt ungenutzt im Schrank. Mehr als zwei Millionen Tonnen Textilmüll im Jahr fallen alleine in der Europäischen Union an. Wann hat sich unser Verhältnis zu Kleidung so verändert? Diese Frage stellte sich die junge Modedesignerin Sunniva Amber Flesland. 2019 gründete sie Studio Mend, um den emotionalen und materiellen Wert von dem, was wir tragen, wieder zu erhöhen.
„Ich bin begeistert von rohen Materialien, altem Handwerk, Traditionen und Schönheit – und ich bin auf der Suche nach Potenzialen, die nicht leicht zu finden sind.“
Sunniva Amber Flesland
Wertschätzen, reparieren, veredeln: Gebrauchspuren aus dem Leben der Kleidungsstücke werden im Studio Mend auf ganz besondere Weise ausgebessert. Island Weave, Edge Mend, Pinstripe Patch, Crossover Stitch: Zwischen diesen vier sorgfältig entwickelten Technikstilen kann der Kunde wählen, um sein beschädigtes Lieblingsstück wieder ganz zu machen. In Kombination mit individuellen Farbdesigns entstehen qualitative Unikate. Die Akzeptanz von Vergänglichkeit und Unvollkommenheit – das ist das Grundprinzip der japanischen Philosophie Wabi Sabi, die Flesland als Inpiration diente. Statt Fehler zu verstecken, werden sie als Zeichen eines ereignisreichen Lebens gefeiert. Sichtbar und raffiniert erschafft die Künstlerin wertvolle, ästhetische Einzelstücke als Statement für eine bessere Modewelt.
Living Material von Iris Bekkers
SUSTAINABLE INNOVATION Autumn.Winter 21/22 #1
Sustainable Innovations Kurator Simon Angel präsentierte Anfang September vier Innovationen für die Saison Autumn.Winter 21/22 bei den FABRIC DAYS. Der Niederländer ist immer auf der Suche nach interessanten jungen Designern, außergewöhnlichen Innovationen und den neuesten Entwicklungen in der Textilbranche.
In unserem kürzlichen Interview mit ihm, meinte er: „Im Sustainable Innovation Forum präsentieren wir die nahe Zukunft und zeigen, was bereits möglich ist.“
Nun geben wir Ihnen einen Einblick in die erste SUSTAINABLE INNOVATION dieser Saison:
LIVING MATERIAL VON IRIS BEKKERS
Passt nicht mehr, sitzt nicht richtig: Viele unserer Lieblingskleidungsstücke verlieren bereits nach kurzer Zeit ihre Form und werden direkt auf die nächste Müllhalde verschifft. Textilien, die sich an individuelle Körperformen und äußere Gegebenheiten anpassen, könnten die Mode- und Textilindustrie reformieren.
Um solche Textilien zu erschaffen, nutzt die Produktdesignerin Iris Bekkers in ihrem Projekt „Moving Structures“ auxetische Materialien, also dehnbare Materialien, die ihre Struktur an ihre Umgebung anpassen können. Als Teil ihres Abschlussprojektes an der Technischen Universität Eindhoven hat sie eine spezielle Gesichtsmaske entwickelt, die sich nicht nur an unterschiedliche Gesichtsformen anschmiegt, sondern auch ihre Filterfunktion an die Umwelt anpasst und atmungsaktiv ist.
Mehr Komfort, längere Tragezeit, weniger Müll: Durch ihre geometrischen Strukturen werden auxetische Materialien beim Dehnen nicht wie die meisten Stoffe dünner, sondern dicker. Das Potential solcher Stoffe reicht von Jacken, die sich der Jahreszeit anpassen und somit im Sommer und im Winter getragen werden können, bis hin zu Schuhen, die je nach Bedarf ihre Flexibilität und Stabilität verändern. Das Material zum Leben erwecken: Für ihre Designs denkt sich Iris Bekkers nicht nur in das Material und seine Beschaffenheit hinein, sondern auch in den Kontext, in dem die Stoffe genutzt und gebraucht werden. Nur so können ihre Entwürfe Mensch und Natur miteinander verbinden.
„Auxetische Stoffe sind Anfang und Inspiration für eine Reihe von anpassungsfähigen, transformierbaren Produkten, die unter unterschiedlichen Gegebenheiten optimal funktionieren. Durch diese Anpassungsfähigkeit steigen Wert und Funktion der Materialien. Gleichzeitig führt sie dazu, dass eine geringere Menge an Produkten notwendig ist.“
Iris Bekkers