virus textiles
Antimikrobielle Textilien – Held oder Hype
Antimikrobielle Textilien – Held oder Hype?
EIN BRANCHEN-EINBLICK VON FASHNERD FOUNDER MUCHANETA KAPFUNDE
In unserem neuen „Zeitalter der Wachsamkeit“ ist ein Textil, das Viren effektiv zerstören kann, unglaublich begehrt und nachgefragt. So sehr, dass momentan alle über antimikrobielle Textilien, also Materialien, die mit Zink und Kupferoxiden von Silberionen angereichert sind, reden und schwärmen. Es ist klar, dass antimikrobielle Materialien Keime nicht abtöten können – aber auch, dass „intelligente“ Textilien Viren effektiv zerstören können. Was natürlich wiederum die Frage aufwirft, ob dieser Stoff in der aktuellen Pandemie helfen kann? Hier stellen wir fünf Erkenntnisse über antimikrobielle Textilien vor:
1. Der Aufstieg des „sterilisierten“ Textils
Antimikrobielle Stoffe wurden ursprünglich entwickelt, um das Wachstum von Bakterien und Pilzen zu verhindern. Traditionell für bestimmte Anwendungen in Branchen wie dem Gesundheitswesen gedacht, hat die Entwicklung neuer antimikrobieller Fasertechnologien dazu geführt, dass Mikroben-Bekämpfungsmittel als sicher genug angesehen werden, um die Technologie den Stoffen hinzuzufügen.
Einige Modemarken haben das Experiment bereits gewagt und setzen auf sterilisierte Textilien, die allgemein mit dem Slogan „antimikrobiell“ vermarktet werden. Der Guide to Antimicrobial Fabric & Textiles von Apex Mills erwähnt jedoch, dass noch weitläufige Verbesserungen erforderlich sind – denn der antimikrobielle Stoff verlangsame derzeit nur die Ausbreitung von Krankheitserregern im Laufe der Zeit und nicht alle Textilien seien darauf ausgelegt, Sporenzellen bei Kontakt abzutöten. Apex Mills stützt somit die Theorie, dass die Innovation noch etwas Zeit für Weiterentwicklungen benötigt.
2. Sicher oder nicht so sicher
Sie sind noch etwas skeptisch gegenüber antimikrobiellen Textilien? Das ist erstmal nicht verwerflich, denn vor nicht allzu langer Zeit wurde nach einigen Studien bekannt gegeben, dass Silber-Nanopartikel, der häufigste Inhaltsstoff antimikrobieller Textilien, potenziell zelluläre Prozesse stören oder die DNA schädigen könnten.
Ein weiterer diskutierter Punkt in Bezug auf antimikrobielle Textilien betrifft das Recycling. Es geht darum, dass das innovative Textil beim Recycling unsichere chemische Inhalte in den Kreislauf einführen könnte. Ein berechtigtes Anliegen, welches besonders unter den Designern mit Sustainability Schwerpunkt skeptisch betrachtet wird.
Marken wie Burberry, die beispielsweise antimikrobielle Masken auf den Markt gebracht haben, sind natürlich bestrebt sind, auch die ängstlichen Kunden anzusprechen. Daher müssen besonders die relevanten Fragen zu Sicherheit und Umwelt im Zuge antimikrobieller Textilien sorgfältig beachtet werden.
3. Kein garantierter Schutz
Es wird davon ausgegangen, dass diese Textilien mit einem gewissen „Wirkungsgrad“ schützen. Aber nicht alle antimikrobiellen Mittel sind gleich stark. Wie gut ist dieses Supermaterial also?
Derzeit gibt es keinen Beweis dafür, dass antimikrobielle Technologien das Überleben von Viren auf Textilien vollständig verhindern, sondern nur die Übertragungschancen verringern. Saskia Popescu, Epidemiologin für Infektionskrankheiten und Assistenzprofessorin an der George Mason University, sagte gegenüber VOX: „Viele Produkte werden nur aufgrund der vorherrschenden Angst in der Gesellschaft verkauft – viele davon sind jedoch gänzlich uneffektiv.“ Man sollte sich also besser genau informieren, bevor man den Superkräften dieser Materialien Glauben schenkt.
4. Eine tragfähige Lücke im Textilmarkt?
Es ist keine Überraschung, dass die Covid-19 Pandemie zu einer Forschungswelle im Bereich antimikrobielle Textilien geführt hat. Marken launchen bereits die ersten Kleidungsstücke aus antimikrobiellen Stoffen. Ein gutes Beispiel ist das sogenannte Virus-bekämpfende Denim – eine Kollaboration zwischen Diesel und dem schwedischen Chemieunternehmen Polygiene. Mit der Viraloff-Technologie werden die Viren auf Textilien in zwei Stunden um über 99 Prozent reduziert. Dabei rät das Unternehmen den Kunden, „weniger und nur bei Bedarf zu waschen“.
Ein weiteres neues Gewebe, das 2020 auf den Markt kam, ist Viroformula. Mit dem Ziel, mit modernster Technologie „vor Viren und Bakterien zu schützen“, wurde die Innovation von der Albini Group, einem Materiallieferanten für Luxusmarken wie Tom Ford und Prada entwickelt. Der antimikrobielle „Super Suit“ BioRomper wiederum soll die Oberflächen-Kontaminationen während einer Reise vermeiden. Der innovative Overall besteht aus hochwertigen recycelten Materialien, die glatt, dehnbar und antimikrobiell ausgerüstet sind.
5. Können antimikrobielle Textilien zur Bekämpfung von Covid-19 beitragen?
Während es einige Studien gibt, die darauf hindeuten, dass antimikrobielle Textilien Viren nicht effektiv bekämpfen können, möchte HeiQ, ein Textilinnovator für funktionelle Stoffe, vom Gegenteil überzeugen. Kürzlich hat HeiQ eine Maske aus einem Material mit Kupfertechnologie gelauncht, welche das Covid-19 Virus „in 5 Minuten“ deaktivieren kann. Eine ultradünne Reinkupferbeschichtung wird dabei mithilfe eines High-Tech-Dampfabscheidungsverfahrens namens HeiQ MetalliX aufgebracht. Es wandelt eine winzige Menge Kupfer in Dampf um, sodass es sich gleichmäßig an jeder Faser ablagern kann.
Rahel Kägi Romero, Marketingleiterin HeiQ meint: „Antivirale Stoffe reduzieren das Risiko einer Virusübertragung durch Oberflächenkontamination und sind ein zusätzlicher Schutz vor dem Virus. HeiQ möchte keine gesundheitsbezogenen Angaben machen und den Menschen ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Antivirale Stoffe sind ein Faktor, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, aber sie müssen Hand in Hand mit anderen Maßnahmen gehen, wie das Tragen von Gesichtsmasken und regelmäßiges Händewaschen.“
An die materiellen Errungenschaften von HeiQ glaubt Warp + Weft. Die auf Nachhaltigkeit spezialisierte Marke hat sich mit HeiQ zusammengetan, um die antimikrobielle Textiltechnologie des Schweizer Unternehmens in den eigenen Stoffen zu integrieren. Die selbstdesinfizierende und keimresistente Oberfläche wurde dem Weichspüler während des Waschprozesses der Denim-Produktion zugesetzt. Obwohl diese spannende Partnerschaft ein gutes Beispiel dafür ist, wie weit die Forschung im Bereich antimikrobielle Materialien bereits gekommen ist, sagte Sarah Ahmed, CEO von Warp + Weft, gegenüber WWD, dass sie aufgrund von Gesetzen und Bürokratie nicht rechtlich garantieren können, dass der Stoff vor Covid-19 gänzlich schützt.
Wenn Sie sich nach all diesen Insights noch nicht sicher sind, ob antimikrobielle Textilien nun „Held oder Hype“ sind, aber die Innovation dennoch ausprobieren möchten, rate ich Ihnen, zuerst die weniger komplexen Versionen antimikrobieller Textilien zu testen. Zweitens gilt es, herauszufinden, welches antimikrobielle Mittel der Hersteller verwendet. Halten Sie Ihre Auswahl begrenzt, damit Sie den Markt testen können, bevor Sie Ihr Smart Textile in großem Maße launchen.
ÜBER DIE AUTORIN
Muchaneta ist Gründerin und Chefredakteurin von FashNerd.com und arbeitet seit über 14 Jahren in der Modebranche. Sie gilt als eine der führenden Influencern in dem Bereich Wearable Technologies und die Fusion von Mode und Technologie. Weitere Artikel von Machaneta auf unserem M/UNIQUE Blog finden Sie hier.
Muchaneta Kapfunde | editor@fashnerd.com